Märklin Spur 0 Tinplate-Anlage im Ingolstädter
Spielzeugmuseum -
Bleicheisenbahn-Anlage um 1920 / 1930
Neu aufgebaut und restauriert 1992 / 1993 von
den Eisenbahn- u. Modellbahnfreunden Ingolstadt - unterstützt
durch die Schreinerei des Städtischen Bauhofs
Stand lange Jahre noch im alten Domizil des
Spielzeugmuseums im 4. Stock des Alten Schlosses, des sog.
Herzogkastens
Vorgeführt wurde die Anlage lange Jahre an
jedem 1. Sonntag im Monat vom Tinplatespezialisten und
langjährigem Vereinsvorstand der Modellbahnfreunde Ingolstadt -
Hr. M. Schnellhardt, sowie von den Herren Rademacher u. Bauer.
Vorführungen heutzutage jeden 1. + 3. Sonntag im Monat von September
bis Mai im Stadtmuseum im Kavalier Hepp Abteilung
Spielzeugmuseum durch Herrn Wittig und Herrn Bopp
Achtung im Juni - Juli - August keine Vorführungen !
Zur Diashow
Erklärung Tin
Plate - Blechspielzeugeisenbahnen
Was versteht man unter Tin Plate?
Unter diesem Begriff wird Blechspielzeug im weitesten Sinne
zusammengefasst, das als Ahnen unserer heutigen industriell
gefertigten und hochtechnisierten Modelleisenbahn in
verschiedenen Spurweiten im 19. Jahrhundert und bis in die 30-er
Jahre des 20. Jahrhunderts hergestellt wurde. Wörtlich übersetzt
heißt Tin Plate: „Blech überziehen“ – mittels Handlackierung
oder Farblithographie. Die namhaftesten Produzenten dieser
Erzeugnisse waren Märklin, Bing, Bub, Schoenner, Distler, Doll,
Krauss-Fandor, Issmayer, Plank, Rock & Graner, Carette und in
England Basset-Lowke. Während die Firma Märklin seit ihrer
Gründung ihren Sitz in Göppingen hat, produzierte die relativ
unbekannte Firma Rock & Graner bis etwa 1904 in Biberach an der
Riss. Alle übrigen aufgeführten Hersteller waren in Nürnberg
ansässig. Nicht zuletzt hierdurch begründete die Nürnberger
Spielwarenmesse ihre Tradition.
Schon bald nach dem Bau der
ersten Eisenbahn im 19. Jahrhundert entstanden Spielzeuge, die
das neue Verkehrsmittel zum Vorbild hatten. Dieses Spielzeug
wurde zunächst überwiegend aus Holz, später aber auch aus Blech
hergestellt und war nicht spurgebunden. Es waren so genannte
Bodenläufer, d.h. man spielte mit ihnen auf dem Fußboden. Die
aus Blech hergestellten Lokomotiven wurden zuerst mit
Schwungrad, später mit Dampf (Spiritus) und Uhrwerk betrieben.
Schon um 1870 soll es einige Firmen gegeben haben, die sich mit
der Herstellung kompletter Spielzeugeisenbahnen beschäftigten.
Es vergingen aber nahezu 50 Jahre bis von der handwerklich
orientierten Manufakturfertigung zur industriellen Produktion
größerer Serien übergegangen werden konnte. Entsprechend selten
sind auch Stücke aus der Zeit vor 1890, denn sie waren teuer und
blieben einer elitären Schicht vorbehalten. Erst durch den
Fortschritt in der Werkzeugtechnik wurden die Voraussetzungen
für eine billigere Produktionsweise und damit für die große
Verbreitung der kleinen Eisenbahnen geschaffen.
Märklin zeigte erstmals auf der
Leipziger Frühjahrsmesse 1891 auf Schienen fahrende Züge mit
Weichen und Kreuzungen für verschiedene Spurweiten. Damit
erregte die Firma großes Aufsehen. Es ist das bleibende
Verdienst dieses Werkes, dass sie in das damals herrschende
Spurweitenchaos so grundlegend Ordnung brachte, dass es alsbald
von allen deutschen und vielen ausländischen Herstellern
übernommen wurde. Als Antriebsmittel herrschte die
spiritusgefeuerte Dampflokomotive vor, die Uhrwerklok hatte noch
einige Kinderkrankheiten zu überwinden und war erst langsam im
Kommen. Im Jahre 1897 trumpfte Märklin erneut mit einer
Messeüberraschung auf - die erste elektrische Eisenbahn
(Starkstrom 110 Volt) wurde angeboten. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatte es zwar elektrische Strassenbahn-Spielzeuge gegeben, doch
an die Elektrifizierung der Eisenbahn hatte vorher noch niemand
gedacht. Es muss festgehalten werden, dass der elektrische
Bahnbetrieb zum damaligen Zeitpunkt nicht ganz ungefährlich war,
wurde doch mit zum Teil primitiven Mitteln
(Vorschalt-Lampenwiderstand) gespielt. Dass sich jedoch die
elektrisch betriebenen Spielzeugeisenbahnen später konkurrenzlos
durchsetzen würden, war damals noch nicht abzusehen. Denn die
Mechanik der Uhrwerkseisenbahnen wurden immer ausdauernder und
widerstandsfähiger, die mit Dampf betriebenen Spiritus-Loks
zunehmend sicherer.
Bing in Nürnberg entwickelte den
so genannten „Nürnberger Stil“, der bestimmt war durch hohe
Massenproduktion aufgrund einer rationellen
Fertigungstechnologie – die Farbe wurde mittels der
Chromolithographie auf das Blech aufgedruckt und die Wagenbleche
wurden durch Verlappen zusammengefügt. Diesem Stil schlossen
sich die meisten der kleineren Hersteller in Nürnberg an.
Märklin beschritt dagegen einen anderen Weg. Hier wurde über
viele Jahre hinweg weiterhin in vielen Bereichen manuell
gefertigt – z.B. Lackierung. Dadurch waren die Preise nicht
immer niedrig, die Qualität und Solidität der Erzeugnisse aber
überzeugend.
Mit der Elektrifizierung des
Antriebes konnte man erstmals die Geschwindigkeit von der Ferne
über die damals üblichen Widerstände steuern – der
Richtungswechsel musste aber immer noch von Hand mittels eines
Schalters an der Lok vorgenommen werden. Bei den Antriebsarten
Uhrwerk und Dampf war eine Fahrtrichtungsänderung oder ein
Halten von Hand direkt an der Lokomotive oder mechanisch über
eine spezielle Schiene möglich. Das Problem der ferngesteuerten
Fahrrichtungsänderung beschäftigte in der Folgezeit alle
Entwicklungsstufen der Starkstrom- und 20 Volt – Bahnen. Man
löste dies durch die elektromechanischen Schaltungen 64, 65 und
66 sowie später ab 1935 durch die Anwendung von Gleichstrom bei
der Fernschaltung 70.
Während langer Jahre bis nach
1920 stand die Spur 0 im Schatten der Spur 1, indem in sehr
vielen Fällen die Spur 0 Version als verkleinertes Pendant zum
Spur 1 Modell entstand. Spur 0 war lange Zeit gleichbedeutend
mit Uhrwerkantrieb, da die kleineren Dimensionen sie für
Dampfbetrieb nicht sehr geeignet machten. Die Ablösung der Spur
1 bei den Blecheisenbahnen setzte dann in den 20-er Jahren ein,
beschleunigt ab 1926, da in diesem Jahr das
20-Volt-Wechselstromsystem eingeführt wurde. Spur 1 lief 1938
vorläufig ganz aus. Die Produktion dampfbetriebener Lokomotiven
wurde von Märklin 1937 eingestellt. Die Spur 0 hielt sich mit
einem ständig kleiner werdenden Sortiment noch bis 1954.
Man muss die überaus solide
Machart der Spielzeugeisenbahnen aus jenen Jahren, die damals
nur zum Zwecke des Spielens sehr stabil und funktionssicher
konzipiert waren, auch heute noch bewundern. Da der reine
Spielbetrieb im Vordergrund stand und die damaligen
Fertigungsmöglichkeiten beschränkt waren, wurden diese
Erzeugnisse nur oberflächlich dem großen Vorbild nachempfunden.
Der Konstrukteur hatte freie Hand und nicht selten kamen dabei
auch reine Phantasiemodelle heraus. Erst mit der weiteren
Steigerung der industriellen Möglichkeiten, insbesondere
zwischen den beiden Weltkriegen, wurden Modelle entwickelt, die
hinsichtlich der Modelltreue zum großen Vorbild oft kaum noch
Wünsche offen ließen.
Von Manfred
Schnellhardt
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